Ich liebe meine Arbeit. Ich kann es nicht anders sagen. Ich freu mich auf jede neue Woche und wunder mich dann wie schnell die wieder vorbei ist. In den letzten Tagen bin ich immer glücklich nach Hause gegangen. Außer Donnerstag, da war ich erst noch mit Zhang Xi und Erich essen. Zhang Xi ist selbst gefahren und das war irgendwie schon seltsam. Ansonsten sitze ich immer nur in Taxis und hoffe da anzukommen wo ich hin will. Die beiden kennen sich natürlich ganz wunderbar in der Gegend aus und deshalb hab ich wahrscheinlich das schönste Gebäude sehen dürfen, dass es in meinem District gibt: Ein altes Schlachthaus aus den 30iger Jahren, 5 stöckig, komplett aus Beton und nun sehr schön saniert. Damals war es das größte in Asien. Es gab Rampen für die Kühe um sie auf die verschiedenen Ebenen zu transportieren und ein großes Atrium, wahrscheinlich damit sie ausbluten konnten. Alles ist verwinkelt und es gibt tausend Treppen und man verläuft sich schnell. Da drin war das Restaurant. Wir haben schön gegessen und ich konnte wieder ein paar neue Dinge über die Kultur erfahren. Wenn man z.B. hier zur Schule geht, jedenfalls zu dem Zeitpunkt als es Xhang Xi tat, wurden Armbinden an die Besten der Schule verteilt, damit jeder das sehen kann und sich die anderen Schüler noch mehr anstrengen auch so gut zu werden. Es ging dabei nicht nur um Noten sondern um Betragen, Pünktlichkeit, Hilfsbereitschaft und so weiter. Zhang Xi hat nie eine bekommen. Aber eigentlich wird damit schon im Kindergarten angefangen, indem jeder über seinem Fach ein Plakat bekommt, wo Symbole für schlechtes oder gutes Verhalten angebracht werden. So steht man auch als Kind schon früh unter dem Druck, immer besser werden zu müssen. Und es geht immer so weiter. Ist man sehr gut in der Hochschule, kann man Hilfskraft werden und dann Assistent und dann Dozent und irgendwann vielleicht Professor. Aber es gibt keinen anderen Weg dahin. So kann niemand anderes an der Uni z.B. Architektur lehren als jemand, der zuvor diesen Weg gegangen ist. Es gibt keine Lehrkräfte von außerhalb oder Gastdozenten – selbst Zhang Xi als chinesische Architektin dürfte dort nicht lehren. So gibt es keinen Input von außen und sie entwickeln sich nicht weiter. Die Lehren sind so überholt, dass in unserem Büro sogar nur Leute eingestellt werden, die so kurz wie möglich in der Uni waren – andernfalls – so Zhang Xi, sind sie zu nichts mehr zu gebrauchen. Und ich hab mich nie gewundert warum alle meine Kollegen auch nur zwischen 20 und 30 sind. Ich hab mich nie gefragt warum es keine alten Architekten bei uns gibt. Vielleicht ist da auch ein Grund warum es mir so gut gefällt. Alle sind jung und machen total schöne Sachen. Unser kleines Büro fängt jetzt sogar an, Taschen zu designen. Alles passiert in diesem einen Raum, alles zusammen. Ich arbeite an meinem Projekt in der Schweiz, gerade zeichne ich die Konstruktionsdetails und mache das Baugesuch fertig. Neben mir an meinem Tisch sitzt Marie, eine Französin, die diese Woche angefangen hat. Sie arbeitet an den Mustern für die Taschenkollektion und mir gegenüber arbeitet Sara an der Inneneinrichtung für ein neues Spa. Andere entwickeln gerade Möbel oder arbeiten an Ausstellungskonzepten. Ich mag das total gerne. Mittags gehen alle Angestellten zusammen zum Lunch und an manchen Freitagen geht’s nach der Arbeit noch zusammen zum Dinner. Letzte Woche haben wir auch eine kleine Katze bekommen, die unsere Chefs auf der Straße gefunden und gerettet haben, als es noch ein Baby war. Nun ist sie ein bißchen größer und lebt bei uns im EXH Design Office. Sie spielt mit dem Modellbaumaterialien und liegt am liebsten neben den warmen Rechnern unserer Sekretärinnen oder bei unserem Schneider. Zwischendurch zieht sie ihre Runden um die Tische und sucht nach Aufmerksamkeit – immer eine gute Gelegenheit mal 5 Minuten nicht auf den Bildschirm zu gucken. Denn dass macht man wirklich den ganzen Tag – und ein bißchen Handzeichnen und Modellbauen.